Daten-Visualisierung der Customer Journey
Wurde ein Customer Journey Mapping durchgeführt und die die KPIs der jeweiligen Touchpoints entsprechend der jeweiligen Zielsetzung definiert, kann die Erfolgsmessung visualisiert werden. Das ist meines Erachtens der spannendste Teil, weil hier viel Potential entdeckt werden kann.
Dafür werden die Conversion Rates aller Touchpoints einer einzelnen Phase der Customer Journey kumuliert, woraus sich unter anderem folgende Schlüsse ziehen lassen:
- Ist die Conversion Rate von Aware zu Appeal sehr niedrig, zeigt das eine geringe Anziehungskraft der Marke. Konsumenten werden zwar auf die Marke aufmerksam, reagieren aber nur unzureichend darauf.
- Ist die Conversion Rate von Appeal zu Ask sehr gering, kann dies ein Zeichen dafür sein, dass wenig Neugierde für die Marke vorhanden ist. Entweder es drängen sich den Konsumenten keine Fragen auf oder es gelingt der Marke nicht, genügend Austausch herzustellen. Eine sehr hohe Conversion Rate ist aber auch nicht optimal, da dies ein Hinweis darauf sein könnte, dass die Botschaft nicht ausreichend klar kommuniziert wird. Zudem erfordert eine hohe Neugierde an der Marke auch viele Ressourcen, um entweder genügend Inhalte zu publizieren oder die Menge an direkten Nachfragen zu bewältigen.
- Eine niedrige Conversion Rate von Ask zu Act deutet auf eine niedrige Bindung mit der Marke hin: Der Marke gelingt es nicht, das vorhandene Interesse in Käufe umzuwandeln. Dies kann durch grundsätzliche Aspekte wie ein zu hoher Preis oder ein generelles Desinteresse am Produkt begründet sein.
- Ist die Conversion Rate von Act zu Advocate niedrig, deutet dies auf eine geringe Affinität zur Marke hin. Dies kann etwa daran liegen, dass die Konsumenten zwar das Versprechen der Marke annehmen, bei der Nutzung aber enttäuscht werden, oder die Marke kaum Relevanz hat.
Die graphische Visualisierung dieser Daten ergeben Muster, welche wertvolle Hinweise auf Lücken und Verbesserungspotential bei der Planung der Customer Journey aufzeigen. Phillip Kotler, der Entwickler dieser Methode, definiert die folgenden Muster:
Typische Muster in der Customer Journey Nutzung
Die graphische Darstellung der Daten entlang der Customer Journey errechnet sich anhand der Conversion Rates der jeweiligen Touchpoints und visualisiert die Qualität der vier Eckpunkte Anziehungskraft, Neugier, Bindung und Affinität zur Marke, die exemplarisch für die Phasen der Customer Journey nach den fünf A’s stehen. Die daraus entstehenden Muster lassen Verhaltensmodelle der Konsumenten erkennen, die Aufschluss auf Verbesserungspotential geben können.
Innerhalb von Branchen sind häufig ähnliche Muster feststellbar, da diese die Bedürfnisse der Konsumenten repräsentieren. Dabei werden vier Hauptmuster thematisiert, die Aufschluss auf ein idealtypisches Muster geben.
Das idealtypische Muster: die Fliege
Das Muster einer perfekten Customer Journey bezeichnet Kotler als Fliege, da die Conversion Rates der jeweiligen Phasen wie ein symmetrisches Fliegenmuster angeordnet sind. Dieses Muster stellt insofern die perfekte Customer Journey dar, als dass jede Person, die die Marke kennt, auch bereit ist, diese weiterzuempfehlen, und jede Person, die sich von ihr angesprochen fühlt, sich zu einem Kauf entscheidet. Die Ask Phase, die vergleichsweise viel Ressourcen binden kann, ist dabei am niedrigsten ausgeprägt.
Dieses Muster kommt in exakt dieser Form natürlich praktisch nie vor, trotzdem lassen sich aber durch die Abweichungen des eigenen Musters zum Idealmuster diejenigen Phasen der Customer Journey ermittelt, die Optimierungspotential aufweisen.
Muster 1: der Türknauf
Das am häufigsten auftretende Muster nennt Kotler den Türknauf, das sich durch eine hohe Bindung in der Act Phase trotz niedriger Neugier in der Ask Phase auszeichnet. Dieses Muster tritt häufig bei Verbrauchsgütern im Supermarkt auf, bei denen Konsumenten nicht viel Zeit für die Recherche aufwenden und sich häufig auf ihre Erfahrung verlassen.
Dieses Muster lässt sich folgendermassen zusammenfassen:
Verhalten der Konsumenten
- Vorherige Erwartungen und Präferenzen
- Geringe Bindung an die Marke
Merkmale der Branche
- Aggressive Marken- und Marketingkommunikation
- Viel Konkurrenz
Vergleicht man dieses Muster mit dem idealtypischen Fliegen-Muster, zeigt sich, dass die Affinität zur Marke gesteigert werden muss, um in der Advocate-Phase bessere Werte zu erzielen. Das kann beispielsweise durch Customer Engagement Programme erreicht werden, die die Loyalität der Konsumenten stärkt.
Muster 2: der Goldfisch
Als zweites Muster nennt Kotler den Goldfisch, dessen hauptsächliches Merkmal eine hohe Neugier ist und sich in einer hohen Conversion Rate von Appeal zu Ask zeigt. Dieses Muster ist typisch für den Business-to-Business-Bereich (B2B), in dem die Konsumenten häufig viele Faktoren in Betracht ziehen müssen. Es werden Alternativen geprüft und häufig auch der Rat von Dritten eingeholt, bevor eine Entscheidung getroffen wird, was sich meist in einem langwierigen und recherchenintensiven Kaufprozess niederschlägt.
Selten kommt dieses Muster auch im Business-to-Consumer-Bereich (B2C) vor. Als Beispiel wird die Tourismusbranche genannt: Bei der Urlaubsplanung werden oft unterschiedliche Interessengruppen einbezogen, deren Präferenzen einen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben können. Beispielsweise bei einem Familienurlaub müssen sowohl die Vorlieben der Eltern als auch die der Kinder berücksichtigt werden und generell das Angebot ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen. Das sind alles Aspekte, die in der der Ask-Phase wichtige Elemente darstellen.
Dieses Muster lässt sich folgendermassen zusammenfassen:
Verhalten der Konsumenten
- Langwierige und gründliche Auswertung vor einem Kauf
- Einbeziehung vieler verschiedeneren Interessengruppen
Merkmale der Branche
- Massenangebot
- Ähnliche Positionierung unter konkurrierenden Marken
Ein Vergleich mit dem idealtypischen Fliegen-Muster offenbart gleich mehrere potentielle Baustellen: so müssen nicht nur Bindung und Affinität verbessert, sondern auch die Neugier auf die Marke gesteigert werden. Da die Konsumenten im B2B-Bereich meist sehr gut informiert sind, kann das eine heikle und ressourcenintensive Aufgabe darstellen.
Muster 3: die Trompete
Das Muster der Trompete zeichnet sich durch eine besonders hohe Affinität der Konsumenten gegenüber der Marke aus, was sich entsprechend in einer hohen Conversion Rate von Act zu Advocate zeigt. Dieses Muster kommt häufig bei Lifestyle Marken im Luxussegment vor, bei denen sich die Konsumenten der Qualität und des Image der Marke bewusst und deshalb bereit sind, diese aktiv weiterzuempfehlen, auch wenn sie diese gar nicht nutzen. Die Anzahl Markenbotschafter ist also höher als die Anzahl Käufer.
Eine Ausnahme stellen beispielsweise rezeptfreie Medikamente dar: so haben Konsumenten zwar eine hohe Affinität zu einer Marke und empfehlen diese auch häufig weiter, nutzen tun sie sie aber nur bei Bedarf.
Dieses Muster lässt sich folgendermassen zusammenfassen:
Verhalten der Konsumenten
- Starke Beteiligung an der Kaufentscheidung
- Vertrauen in die Qualität der Marke
Merkmale der Branche
- Seriöses Image durch Gütegemeinschaft
- hoher Einfluss der Mundpropaganda
Vergleicht man dieses Muster mit dem idealtypischen Fliegen-Muster, zeigt sich, dass eine Verbesserung der Act Phase stattfinden muss. Erreichen lässt sich das beispielsweise mit günstigeren Preisen oder besserer Verfügbarkeit, ohne dass das Markenimage verwässert wird. Gerade für Luxusmarken kann das herausfordernd sein.
Muster 4: der Trichter
Das vierte und letzte der typischen Muster ist der Trichter. Charakteristisch für dieses Muster ist die stetige Abnahme der Conversion Rate pro Customer Journey Phase. Die Kaufentscheide, die diesem Muster zugrunde liegen, sind in der Regel gut geplant und durchlaufen linear jede Pause der Customer Journey. Dieses Muster ist in der Regel bei Gebrauchsgütern oder Dienstleistungen festzustellen und bedarf einer ausgeglichenen Verteilung der Touchpoints auf die einzelnen Phasen der Customer Journey, um bei allen Phasen die benötigte Erfahrung zu ermöglichen, damit die Konsumenten den Sprung in die nächste Phase vollziehen.
Dieses Muster lässt sich folgendermassen zusammenfassen:
Verhalten der Konsumenten
- Meist geplanter Kauf
- Vertrauen in eigene Erfahrung, nicht in das Versprechen der Marke
Merkmale der Branche
- Leichte Vergleichbarkeit konkurrierender Marken
- Produkt geht einher mit der ausgeprägten Kundenerfahrung
Der Vergleich mit dem idealtypischen Fliegen Muster zeigt einen Mangel sowohl an Bindung als auch an Affinität. Um das zu beheben, müssen Marken beispielsweise für ein besseres Gleichgewicht zwischen den Leistungen beim und nach dem Kauf sorgen und den Konsumenten besseren Support anbieten.
Fazit
Wie schon beim Customer Journey Mapping, bietet auch diese Methode zur Messung und Analyse der Customer Journey eine sehr schnelle und bestechend einfache Umsetzung und Anwendung.
Die Darstellung der Conversion Rates entlang der Customer Journey bietet viel Präzision, um die einzelnen Phasen zu analysieren und Probleme zu ermitteln – und bietet zudem noch ein paar Kennzahlen, die eine Bewertung der Gesamtperformance des Marketings erlauben.
Quellen / Lesetipps
- Kotler, P. (2017). Marketing 4.0: Der Leitfaden für das Marketing der Zukunft. Frankfurt, Campus Verlag
https://amzn.to/3fGhRso * - Kruse Brandão, T. (2018). Digital Connection: Die bessere Customer Journey mit smarten Technologien – Strategie und Praxisbeispiele. Wiesbaden, Springer Verlag
https://amzn.to/364CoDG * - Esch, F. (2016). Handbuch Controlling der Kommunikation. Wiesbaden, Springer Reference, Kindle-Version
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