Customer JourneyDatenanalyse

Praxisbeispiel: Customer Journey Dashboard

Gerade im Marketing sind Daten ja enorm wichtig – und durch ihre überbordende Fülle zunehmend ein ernstzunehmendes Problem.

Wer hat schon Zeit, sich in die unglaubliche Fülle an Daten einzulesen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen? Genau, ein*e Data Analyst.

Aber was, wenn dein Unternehmen eher klein und/oder ein Startup ist und du dir schlicht keine*n Data Analyst leisten kannst? Dann versuchst du alleine dieser Flut Herr (oder Frau) zu werden und suchst irgendwann Rat im Internet und landest vermutlich früher oder später auf Blog-Artikeln wie diesem.

In der Regel werden dort aber nur allgemeine Tipps abgegeben (die richtige Tools nutzen, ein gesundes Mass an Datenerhebung, etc.) und mit Buzzwords um sich geschmissen (Smart Data statt Big Data). Nicht sehr hilfreich!

Deshalb will ich hier mein Daten-Dashboard (a.k.a. mein CMO-Dashboard) zeigen, welches ich nutze, um mir einen Überblick zu verschaffen und Probleme anhand weniger Kennzahlen erkennen kann: Praxisnah und schnell realisierbar.

Die Daten-Flut und mein Wunsch nach Übersicht

Als Marketer in einem Startup muss ich die gesamte Customer Journey im Blick haben. Das klingt einfach, ist es aber nicht, denn jede Phase kann enorm viele Kanäle und Daten beinhalten.

Deshalb habe ich mein Dashboard so strukturiert, dass für jede Phase des Customer Journey nur die nötigsten Kennzahlen ersichtlich sind. Zudem ist für jeden Übergang von einer Phase in die nächste sogenannte Transition-KPIs definiert, die mir auf einen Blick zeigen, was sich verändert und wo spezielle Aufmerksamkeit nötig ist.

Struktur des Dashboard

Ausgangspunkt ist die sogenannte Nordstern Metrik. Das ist eine Kennzahl, die oft in Startups genutzt wird und alle beteiligten Abteilungen (oder in Startups eher Personen) integriert, die für den Unternehmenserfolg verantwortlich sind. Das heisst: Um den Nordstern zu erreichen, müssen alle ihren Teil dazu beitragen. Mehr Informationen zum Nordstern gibt’s hier.

Danach folgt die Auflistung der einzelnen Customer Journey Phasen. Dazu nutze ich die Definition der 5A’s nach Kotler, die aus den Phasen Aware, Appeal, Ask, Act und Advocate besteht.

Technische Hilfsmittel

Datenvisualisierung: Google Data Studio
Genutzte Schnittstellen: Google Analytics Connector, Ad data + Google Analytics connector (Supermetrics) und die eigenen Daten liegen in Google Big Query.

Disclaimer: Die Daten stammen von einem Webshop eines Kumpels, für den ich das mal aufgesetzt hab. Aus Gründen des Datenschutz (und weil er sonst wohl mächtig sauer wäre) sind sie aber anonymisiert.

Das Dashboard: Schritt für Schritt

Header: Zeitraum auswählen

Das wirklich praktische an Google Data Studio ist die Möglichkeit, alle Ansichten in einem frei definierbaren Zeitraum anzeigen zu lassen.

Somit kann im Standard-Zeitraum jeweils die letzte Woche begutachtet werden – bei Bedarf aber auch nach Monat, Quartal, Jahr oder ein frei definierbarer Zeitraum (je nach Kampagne etwa).

Vergleichszeitraum ist der jeweilig vorherige Zeitraum, also bei einer wöchentlichen Betrachtung immer die jeweilige Vorwoche.


Nordstern: das übergeordnete Ziel

Die Nordstern Metrik ist das übergeordnete Ziel des Unternehmens. Deshalb ist der Fortschritt nicht an die entsprechend Zeitraum-Begrenzung gekoppelt.

Transition KPI

Fortschritt der letzten Woche (oder je nach gewähltem Zeitraum) in absoluten Zahlen. Wir wollen ja wissen, was sich Woche für Woche tut.

Analyse und Handlungsempfehlung

Wenn der Fortschritt im selben Tempo vorwärts geht, wird der Nordstern vermutlich nicht erreicht, wenn auch nur knapp. Deshalb muss entweder die Bewertungsrate besser werden (der einfache Weg) – oder mehr 5-Stern Bewertungen abgegeben werden (etwas schwieriger).


Advocate Phase: Bewertungen (Google und Website)

Hier werden die eingegangen Bewertungen angezeigt: wie hoch sind diese im Schnitt und wie viele Bewertungen wurden angegeben.

Transition KPI

Indikator ist hier die Bewertungsrate. Also wie viele Bewertungen wurden im Vergleich zu getätigten Verkäufen abgegeben

Analyse und Handlungsempfehlung

Eine Bewertungsrate von über 30% ist eigentlich kein schlechter Wert. Trotzdem liesse sich diese sicher noch verbessern, etwas mit speziellen Rabatten für eine abgegebene Bewertung oder ein kleines Geschenk (nicht gerade kreativ, aber es funktioniert).


Act Phase: Verkäufe über den Webshop

Hier geht es um die Verkäufe, Umsatz, gekaufte Artikel pro Transaktion und der durchschnittliche Umsatz pro Kauf.

Dazu gibt es eine Übersicht über die Umsatzentwicklung, über welche Kanäle die Käufer kamen (Attributionsmodell «Positionsbasiert» ) und eine Auswertung, wieviele Sales über Google Analytics getracked werden konnten. Das kann einen Hinweis darauf geben, wie viele Daten durch iOS und Cookie-Banner verloren gehen.

Transition KPI

Der wichtigste Wert ist hier die Conversion Rate: also wieviele Besucher des Webshops tatsächlich Käufer werden.

Analyse und Handlungsempfehlung

Dazu gibt’s nicht viel zu sagen: Eine Conversion Rate von über fünf Prozent ist solide und entsprechende Anpassungen nur über die UX des Shops machbar, was aber erfahrungsgemäss ziemlich aufwändig ist.


Ask Phase: Besuche im Webshop

In der Ask Phase geht es um das Angebot im Webshop: sind die Produkte die, die die Käufer haben wollen? Aussagekräftige Kennzahlen sind die Anzahl der aktiven Nutzer, die Anzahl besuchter Artikel im Shop, die durchschnittlich verbrachte Zeit im Shop und die Absprungrate (zumindest noch bis Sommer 2023, solange Universal Analytics noch läuft – bei Google Analytics 4 gibt’s diese Kennzahl ja nicht mehr und es wird durch die Engagement Rate ersetzt).

Transition KPI

Der wichtigste Wert hier ist die Click-Through-Rate von der Website in den Shop (etwa Landingpages, die via Anzeigen aufgerufen werden). Also wieviele Besucher klicken tatsächlich weiter in den Shop und schauen sich nicht nur die Website an.

Analyse und Handlungsempfehlung

Eine Click-Through-Rate von über 30% ist ganz in Ordnung, mehr als 40% wäre gut. Falls von online Anzeigen auf Landingpages verwiesen wird, können diese sicher noch optimiert werden – und falls auf der Website ausgewählte Artikel präsentiert werden, müsste sicher beachtet werden, ob das die richtigen sind: Viele CMS bieten die Möglichkeit, automatisch die umsatzstärksten Produkte automatisch zu platzieren und mit Marketing Automation lässt sich sicher auch noch einiges machen. Damit liesse sich sicher auch die Absprungrate verbessern.


Appeal Phase: Besuche auf der Website

Die Website ist in der Regel die erste Anlaufstelle. Deshalb entscheidet sich hier meist, ob Besucherinnen das Unternehmen und sein Angebot mögen oder nicht. Deshalb sind auch hier die relevanten Kennzahlen die Anzahl aktiver Nutzer, die durchschnittlich verbrachte Zeit auf der Seite, die Anzahl bescherter Seiten und natürlich auch die Absprungrate.

Transition KPI

Der relevante Wert hier ist die Click-Through-Rate von der Awareness Phase auf die Website (via SEA, Display Ads, Social Media Ads und der organischen Suche). Dieser Wert sagt aus, ob die Werbung funktioniert und genügend Nutzerinnen auf die Website holen.

Analyse und Handlungsempfehlung

Die Click-Through-Rate scheint über alle Kanäle hinweg ganz in Ordnung zu sein. Allerdings fällt auf, dass die Anzahl Besucher auf der Website nur unwesentlich höher ist als die Besucher via Werbung und organischer Suche! Es wäre in diesem Fall klar zu empfehlen, die Retention Rate zu optimieren und an der SEO zu arbeiten – also weniger auf bezahlte Werbung zu setzen, auch wenn diese generell nicht so schlecht zu funktionieren scheint.


Aware Phase: Erster Kontakt via Werbung und SEO

Auf einen Blick will ich hier sehen, was haben wir für Werbung ausgegeben und was ist dafür zurückgekommen, also den ROAS. In zweiter Linie interessiert mich die Anzahl Klicks, die generiert wurden.

Und um etwas mehr Einblick ins Ad Management zu erhalten, sind die einzelnen Kanäle noch detailliert aufgelistet, wobei mich hier die Absprungrate (Bounce Rate) besonders interessiert. Diese sagt ziemlich zuverlässig aus, ob die Botschaft der Ad auch mit dem Bedürfnis der Nutzerinnen übereinstimmt: Ein Klick mit unmittelbarem Absprung ist nichts wert und kostet nur Geld.

Analyse und Handlungsempfehlung

Die Click-Through-Rate sind mehrheitlich ganz in Ordnung (wobei die ja immer höher sein dürften, das ist aber nicht immer realistisch). Um einen genaueren Einblick ins Ad Management zu erhalten, reicht diese Übersicht sicher nicht aus, dafür braucht es detaillierte Informationen zu den einzelnen Anzeigegruppen und den jeweiligen Ads.

Einzig im Bereich Organic dürfte die Click-Through-Rate einiges höher sein, da die Nutzer ja in ihrem Mindset nach etwas Spezifischem suchen, was sie offensichtlich nicht in dem Masse finden, wie erhofft. Deshalb müsste im Bereich SEO wesentlich mehr investiert werden, aber das ist ja bekanntlich nicht eine kurzfristige Angelegenheit!


Zusatz: übergeordnete Berechnungen PAR und BAR

Hier rechne ich noch den Purchase Action Ratio (PAR) und der Brand Advocacy Ratio (BAR) aus.

Beide Kennzahlen sind Conversion Rates innerhalb der Customer Journey, die aber nicht die einzelnen Phasen messen, sondern das Verhältnis einzelner Phasen zueinander: Beim Purchase Action Ratio wird dargestellt, wie hoch das Verhältnis zwischen Appeal und Act ist, wie sich also das Interesse an der Marke in Käufe umwandeln lässt. Beim Brand Advocacy Ratio wird ermittelt, wie hoch das Verhältnis zwischen Aware und Advocate ist, und dieser Wert sagt demnach aus, wie sich die Markenbekanntheit auf aktive Weiterempfehlungen auswirkt.

Mehr Informationen dazu gibt es hier.


Fazit

Mir persönlich bringt dieses Dashboard sehr viel, da ich wöchentlich nicht mehr als 15 Minuten brauche, um mich über die Performance des Unternehmens zu orientieren und schnell und einfach Probleme eruieren kann, denen ich mehr Priorität zukommen lassen muss.

Zudem ist es ja oft so, dass verschiedene Leute (oder Abteilungen) für eine spezifische Phase der Customer Journey zuständig sind. Das erlaubt auch hier einen schnellen Überblick, worauf bei der Analyse der kanalspezifischen Dashboards (wie etwa SEA oder Social Media Ads) besonderen Augenmerk gelegt werden muss.

Natürlich ist dieses Dashboard spezifisch auf die Bedürfnisse eines E-Commerce Shops zugeschnitten, lässt sich aber für sehr viele Branchen adaptieren. Je mehr Kanäle genutzt werden, desto komplexer wird natürlich auch das Dashboard – aber von der Funktionsweise her ändert sich nicht viel.

Und wie immer bei der Datenanalyse steht auch hier am Anfang die Fragestellung: was will ich eigentlich messen und was soll mir das sagen? Je nach Fragestellung ändern sich die Transitions-KPIs, aber nicht unbedingt die Struktur eines Dashboards.

Und falls du jetzt tatsächlich hier gelandet bist, weil du mit der Datenflut deines Marketings nicht mehr klarkommst (und ebenso tatsächlich bis hier gelesen hast), hoffe ich sehr, dass dir das weiterhilft. Und sollte es dir doch nicht weiterhelfen, kann ich das vielleicht: einfach mal Kontakt aufnehmen (und nein, ich will dir nichts verkaufen).

Manuel

Marketing Strategist & Enthusiast

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